MARK TWIGHT: SUPERMANS TRAINER

Als Mark Twight Mitte der Achtziger einer der besten Extrembergsteiger der Welt war, sagte er seinen Tod für sein 27. Lebensjahr voraus. Spätestens. Zu extrem waren seine Routen, zu extrem die Entscheidungen, die er innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen zu treffen hatte – an einem Überhang baumelnd, mit brennenden Muskeln.

Irgendwo in Europa, an einem Berg, bei eisiger Kälte. Aber wahrscheinlich war er einfach zu gut, zu fit, zu fokussiert: Irgendetwas hat ihn gerettet. Inzwischen ist Mark Twight einer der bekanntesten Fitness-Trainer der Welt, zu seinen Klienten gehören Hollywood-Stars genauso wie Profi-Footballer. Dass das Hollywood-Epos „300“ mit einer imposanten Menge Sixpacks und Muskelbergen aufwarten konnte, verdanken die Produzenten mehr noch dem Training des Ex-Bergsteigers als ihren Computern.

MARK TWIGHTS ZORN, FRUSTRATION UND EIN HARTER WEG

Heute, rund 25 Jahre nach seinem selbst prophezeiten Tod, erklimmt Mark Twight immer noch Gipfel. Es ist nicht mehr so kalt, der Weg ist aber nach wie vor steinig – wenn auch auf mentaler Ebene: „Wenn ich sehe, dass jemand sein Potenzial verschenkt, frustriert mich das. Es macht mich zornig“, sagt Twight, wenn er an die Arbeit im Fitness-Studio denkt. Jeder soll wissen: Das Gewicht zu stemmen ist der einfache Teil des Trainings, der Weg dorthin ist härter. Von seinen Kunden erwartet der Modellathlet nicht weniger als totale physische und psychische Hingabe.

Wer sich von Mark Twight und seinen Trainern fit machen lassen möchte, sollte das Gym Jones in Utah aufsuchen. Aber Vorsicht: Einfach reinschlendern wird nicht funktionieren. Das Gym ist nur auf Einladung oder als Mitglied zu betreten. Und es sollte dir sehr ernst sein mit deinen Ambitionen. Sein „Gym Jones“, das er 2000 gemeinsam mit seiner Frau aufgebaut hat, ist eine Festung. Zutritt nur mit persönlicher Einladung, jeder Anflug von Hochmut muss bereits an der Tür gegen Demut getauscht werden. Training ist für den Ex-Fitmacher des US-Militärs ganzheitliche Ausbildung, das ein ganz bestimmtes Umfeld erfordert.

VOM SCHAUSPIELER ZUM SUPERMAN.

„Das Training ist schmerzhaft – es gibt keine Abkürzungen. Psychische und körperliche Zusammenbrüche können vorkommen.“ Klare Ansage! Wir haben mit Mark Twight – dem Körperformer der Stars - über Philosophie, mentale Stärke, den wichtigsten Muskel im Körper und seinen stärksten Hollywood-Klienten gesprochen.

MARK TWIGHT: DAS INTERVIEW

Qi²: Mark Twight, gibt es etwas, das ein hartes Workout mit Bergsteigen zu tun hat? Natürlich außer dem offensichtlichen Zusammenhang von körperlicher Extremleistung und dem Erfolg.

Mark Twight: Durch das Klettern habe ich gelernt, dass der Geist den Körper nach oben bringt – nicht andersrum. Damit will ich sagen, dass ein stärker werdender Wille automatisch zu einer körperlichen Leistungssteigerung führen wird. Und das wiederum stößt einen ganzen Kreislauf an: Wenn du deine Leistungen verbesserst, wird dein Selbstvertrauen wachsen – und dein Charakter entwickelt sich immer weiter.

Qi²: Was macht Bergsteigen so einzigartig?

Mark Twight: Bergsteigen ist eine der besten Triebfedern, um den gerade beschriebenen Prozess in Gang zu setzen. Leider haben nur wenige Menschen die Möglichkeit, diesen Sport auf einem hohen Niveau zu betreiben. Ich glaube, es liegt an der Kombination aus körperlicher und mentaler Anspannung, der ständig mitkletternden Gefahr und der immer vorhandenen Möglichkeit des dramatischen Scheiterns, die dich geistig daran wachsen lässt.

Qi²: Was bedeutet das übertragen auf die Arbeit im Fitness-Studio?

Mark Twight: Die Gefahr, die dich in den Bergen ständig begleitet, zwingt dich zu einer besonderen Form von Ehrlichkeit: Denn Selbstbetrug führt im Gebirge unweigerlich zum Tod – oder der Tod ist wenigstens eine sehr ernstzunehmende Option, wenn du dir selbst etwas über dein Können oder deine Leistungsfähigkeit vormachst. Im Studio und im täglichen Leben drohen scheinbar keine Konsequenzen bei schlimmem Selbstbetrug. Also lügen sich Menschen ununterbrochen vor, was sie alles können und was sie schon geleistet haben. Im Studio geht es um Fitness, Gesundheit und Leistungsfähigkeit – wer da keine grundehrliche Bestandsaufnahme macht, kann nicht gut trainieren.

Qi²: Der Anfang vom Ende, noch bevor die erste Hantel in die Hand genommen wurde?

Mark Twight: Ohne Tests, objektive Maßstäbe oder wirkliche Konsequenzen wird sich die Lüge von Anfang an durch das Trainingsprogramm ziehen. Glücklicherweise hat mich das Klettern nicht umgebracht, sondern mir diese wertvolle Lektion erteilt: Unbedingte Ehrlichkeit ist der Weg zum Erfolg. Denn Ehrlichkeit führt zu Selbstbewusstsein und damit zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit sich selbst. Die Basis eines erfolgreichen Trainings!

Qi²: Hat dein “erstes Leben” als Bergsteiger den Grundstein für deinen Erfolg als Trainer gelegt?

Mark Twight: Ganz klar, ja. Um in den Bergen bestehen zu können, muss man sich stark mit der mentalen, der philosophischen Seite des Sports auseinander setzen. Diese Fähigkeit hilft auf alle Fälle in beiden Jobs. Wir Menschen neigen dazu, uns mit zu wenig zufrieden zu geben. Wenn man das zu oft macht und zu lange damit lebt, glaubt man irgendwann, alles herausgeholt zu haben, was möglich war. Woran sollte man sich auch messen? Außer natürlich an Erwartungen, die man an sich selbst hat. Wir versuchen dafür zu sorgen, dass unsere Sportler diese Maßstäbe sehr hoch ansetzen und deshalb alles aus sich herausholen, was möglich ist.

Qi²: Hast du ein Beispiel dafür?

Mark Twight: Ein einfaches, aber gutes Beispiel: Kürzlich hat mir jemand erzählt, dass er eigentlich nur das Wochenende trainingsfrei machen wollte. Aber weil er sich nicht im Griff hatte, wurden aus den zwei Tagen auf einmal vier. Seine Lösung: Er wollte einen Trainer einstellen, der für die Einhaltung seines Trainingsplans verantwortlich ist. Das ist eine Option, wenn auch die falsche. Die richtige wäre es, seiner Verantwortung sich selbst gegenüber gerecht zu werden. Eine harte Lektion, aber sie wird sein Leben verbessern. Noch mal: Training bedeutet in meiner Philosophie erst an zweiter Stelle die Arbeit mit Gewichten. Erst muss dein Kopf fit sein und du musst dich unwiderruflich und vollständig auf dein Programm einlassen. Sonst funktioniert es nicht.

Qi²: Welcher der Stars, mit denen du gearbeitet hast, war am härtesten gegen sich selbst?

Mark Twight: Ohne Zweifel war das Henry Cavill (der neue "Superman"-Darsteller - Anm. d. Aut.). Für "Man Of Steel" musste er sich auf 11 Monate sehr harte Arbeit einlassen und dann mit voller Hingabe dabei bleiben. Die radikalste Veränderung schafften wir bei den "300"-Darstellern Andrew Pleavin und Vincent Regan. Der eine verlor rund 15 Kilo in 5 Wochen, der andere noch etwas mehr in 8 Wochen. Wohlgemerkt haben beide in dieser Zeit an Muskelmasse zugelegt.

Qi²: Du hast gesagt, dass der Geist für den Trainingserfolg entscheidend ist. Ist es härter, eine Hürde geistig zu überspringen, als körperlich?

Mark Twight: Der Muskel, den wir besonders stark trainieren müssen, befindet sich in unserem Schädel. Wenn der nicht stark genug ist, wirst du dein eigenes Training nie über deine Grenze hinaus pushen können. Oder genauer gesagt: Du wirst dich immer an den Grenzen anderer orientieren. Wenn du von Sportlern umgeben bist, für die ein 5 Kilometerlauf in 23 Minuten die Definition von hartem Training ist, wirst du nie auf die Idee kommen, dass man auch unter 20 Minuten laufen könnte. Wenn alle glauben, dass zwei Deadlift-Wiederholungen das Maß der Dinge sind, sind drei Wiederholungen utopisch. Eine Leistungssteigerung muss zuerst im Kopf stattfinden, dann wirst du sie vielleicht auch irgendwann körperlich spüren können.

Qi²: Keine Chance ohne den mentalen Teil des Trainings?

Mark Twight: Wenn dein Geist keinen Spaß an harter Arbeit hat, es nicht genießen kann, zu leiden oder sich keinen neuen Herausforderungen stellen möchte, wird kein Programm der Welt zum Erfolg führen. Der körperliche Teil des Trainings ist ziemlich einfach: Nimm etwas in die Hand, hebe es hoch und senke es wieder ab. Und das mehrmals hintereinander. Fertig. Aber wenn du nicht fit im Kopf bist, wirst du nie den Kreislauf in Gang setzen können, den ich oben schon beschrieben habe. Dann wirst du dein Training nie in Grenzbereiche führen können.

Qi²: Gibt es Tricks, wie man diese erste hohe Hürde überspringen kann?

Mark Twight: Es gibt gerade für Einsteiger drei sehr einfache Tipps, die sich selbstverständlich anhören, die aber scheinbar viele nicht kennen: Je mehr du es als lästige Pflicht betrachtest, je mehr du dir einredest, dass harte Arbeit etwas ganz spezielles und unangenehmes ist, desto härter wird es. Dabei ist es nichts Außergewöhnliches. Das größte Problem ist es, Menschen an die Idee zu gewöhnen, in einem Gym zu trainieren. Wenn sie erstmal da sind, wird alles einfacher. Also Tipp Nummer 1: Geh´ in ein Studio und fang an zu trainieren. Als nächstes gilt es, sich klar zu machen, was überhaupt zu tun ist. Egal, was du vorhast: Irgendjemand hat es irgendwo schon geschafft. Also finde heraus, wie er es geschafft hat und ziehe deine Schlüsse aus seiner Methode. Bleibe dran, wenn es richtig hart wird. Egal, welche Tricks du anwenden musst, egal, wie du dich bestrafen oder belohnen musst, bleibe dran. Menschen haben schon Unfassbares geleistet und haben die imposantesten Anstrengungen überlebt. Wie schlimm kann es also sein, wenn deine Lunge oder deine Oberschenkel brennen? Zusammengefasst: Komm vorbei! Stelle Fragen! Hör nicht auf! Das ist das so genannte Geheimnis. Ganz einfach, oder?

Qi²: Welche Rolle spielt ein Trainer in diesem Prozess?

Mark Twight: Wenn ich mit Schauspielern zusammen arbeite, bestehen ganze Trainingseinheiten nur aus reden, reden, reden. Jedes Workout beginnt bei uns mit einem kleinen Interview. Das ist wichtig, denn wenn jemand 10 Stunden pro Woche trainiert, hat er immerhin 158 Stunden Zeit, alles wieder kaputt zu machen. Ein Trainer hat auch die Aufgabe, dich auf dem Weg zu unterstützen, bis zu genug Selbstdisziplin besitzt, jeden Tag, jede Stunde bewusst zu leben. Nicht nur die zwei Stunden im Gym.

Qi²: Was macht einen guten Coach darüber hinaus aus?

Mark TwightDie wichtigste Eigenschaft eines Trainers ist die Fähigkeit, das Naturell des Klienten zu verstehen. Wie schaffe ich es, ihn anzutreiben? Alle Sportler sind verschieden: Manche brauchen das Zuckerbrot, andere reagieren nur auf die Peitsche. Manche musst du austricksen, andere werden von ihrer Scham angetrieben. Manche haben Spaß daran, zu leiden. Als Trainer musst du ein Chamäleon sein. Den größtmöglichen Fortschritt für einen Kunden zu erzielen, hängt vor allem davon ab, dass du ihn richtig ansprichst. Das ist ein sehr schmaler Grat und ein kleiner Fehler kann alles ruinieren.

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